3 Constructive Alignment

3.1 Wie lernen Lernende online?

Lernende betrachten in E-Learning Produkten nicht alle Videos, beantworten nicht alle Fragen und lesen nicht alle Texte, die wir ihnen bieten. Guo, Kim und Rubin (2014) beispielsweise zeigten in einer der größten Untersuchungen über instruktionale Videos, dass Lernende in Online-Kursen bis zu 22% des Kursinhalts überspringen. Nicht nur dass, sie navigieren nicht linear durch den Kurs, sondern springen in ganz unterschiedlichen Arten durch die Lektionen, häufig zu Modulen, die sie bereits angeschaut haben. Am häufigsten springen Lernende von einer Prüfung zurück zu den Lerninhalten. Wir können dies so interpretieren: Lernende sind opportunistisch. Sie versuchen die an sie gestellten Aufgaben so effizient wie möglich zu lösen. Hierzu holen sie sich Hilfe in den Lektionen und navigieren den Kurs so, wie es für sie am sinnvollsten erscheint. Ähnliches gilt für Videos. Guo und Reinecke (2014) untersuchten 862 Videos, welche insgesamt 6,9 Millionen mal angeschaut wurden. Die Videos stammen aus vier Kursen der Online-Plattform edX. Ein zentraler Befund aus der Studie ist, dass Lernende Videos selten länger als sechs Minuten ansehen. Je länger Videos sind, desto früher brechen sie die Videos prozentual ab. Nicht nur das, je kürzer die Videos waren, desto eher haben die Lernenden danach anschließende Aufgaben gelöst. Ähnliche Ergebnisse fanden Kim et al. (2014). Nach 15 Minuten beispielsweise sind bereits in etwa 60% der Lernenden abgesprungen. Nach 30 Minuten sind es gar 80% der Lernenden. Beim zweiten Betrachten von Videos ist dieser Trend noch stärker. Bereits nach 5 Minuten sind in etwa 70% der Lernende abgesprungen, nach 10 Minuten sind es bereits 80%. Der Schluss bleibt der gleiche: Lernende folgen nicht unserem Plan als E-Learning Entwickler, sie sind selektiv und scheren sich nicht darum, welchen Plan wir mit der Konzeption eines E-Learning Kurses hatten.

3.2 Die Perspektive von Lernenden: Die Prüfungsmethoden

Die selektive Art und Weise wie Lernende E-Learning Produkte navigieren hat Auswirkungen auf die Gestaltung von E-Learning Kursen. Lehrkräfte haben häufig die Perspektive der Lernziele, welche sie mit einem Kurs verfolgen. Lernende hingegen steuern ihr Handeln durch die Art und Weise, wie die Lerninhalte in einem Kurs geprüft werden. In anderen Worten:

“We teachers might see the intended learning outcomes as the central pillar in an aligned teaching system, but our students see otherwise: ‘From our students’ point of view, assessment always defines the actual curriculum’ (Ramsden 1992: 187).” (Biggs, 2007, S. 169)

Die Perspektiven von E-Learning Entwicklern und Lernenden in E-Learning Kursen

Was Lernende aus einem Kurs mitnehmen, wird daher maßgeblich dadurch bestimmt, wie Lehrende die Inhalte prüfen. Als Lehrkräfte hätten wir zwar gern, dass die Lernenden nach unseren Zielen lernen, sie handeln allerdings nicht so. Welche Auswirkungen diese beiden Perspektiven auf die Gestaltung von E-Learning Produkten hat, zeigt ein Beispiel des Kurses The Science of Happiness. Der Kurs beschreibt folgende Lernziele, die Lernende nach Beendigung des Kurses können/wissen sollten:

  • “What happiness really means and why it matters to you”
  • “How to increase your own happiness an foster happiness in others”
  • “Why social connections, kindness, and community are key to happiness”
  • “Which mental habits are most conducive to happiness and how mindfullness can help”

Insbesondere das erste Ziel und zweite Ziel ist relevant. Lernende sollen nach dem Kurs fähig sein, zu erklären, was Glück bedeutet und warum es wichtig ist. Die Perspektive der Lernenden sagt nun voraus, dass die Lernenden ihr Lernen nicht an diesen Zielen ausrichten werden, sondern an der Frage, wie diese Ziele im Kurs geprüft werden. In diesem Kurs gibt es zu den ersten beiden Punkten folgende Prüfungsmethoden. Zunächst erhalten die Lernenden Multiple-Choice Fragen, in denen sie ganz spezifische Fragen zum Thema Glück beantworten müssen:

Beispiel Prüfungsformen im Kurs The Science of Happiness

Eines fällt sofort auf: Keines der Fragen bespricht die Frage, was Glück ist. Genauso wenig prüfen die Fragen, warum Glück wichtig ist. In einer weiteren Aufgabe des Kurses dürfen Lernende freiwillig die Bedeutung von Glück diskutieren. Freiwillig bedeutet allerdings auch, dass Lernende dies nicht machen müssen.

Die Folgen sind problematisch. Durch die Wahl dieser Multiple-Choice Fragen lernen die Lernenden nicht das, was sie nach Ansicht der Entwickler des Kurses lernen sollten. Vielmehr lernen die Lernenden noch weniger, da die Antworten auf die Multiple-Choice Fragen durch eine schnelle Suche in den Lernmaterialien nachgeschlagen werden können. In anderen Worten, die Lernenden lernen das Suchen von Begriffen und nicht, was Glück bedeutet.

3.3 Surface und Deep Approaches to Learnings

Die Folge dieser fehlenden Passung der Lernziele und der Prüfungsmethoden ist, dass Lernenden ein ungünstiges Lernverhaltens an den Tag legen. In einer idealen Welt sind alle Lernenden intrinsisch motiviert und haben das starke Bedürfnisse, die Lerninhalte im Kern zu verstehen. Ein Blick auf die Universitätslandschaft zeigt allerdings, dass Universitätsstudierende und damit hoch ausgebildete Menschen, die E-Learning Produkte später nutzen werden, nicht immer ein intrinsisch geprägtes akademisches Interesse haben.

Stellen wir uns beispielsweise zwei Lernende vor, Robert und Susan (siehe Biggs, 2007 für eine ausführliche Darstellung). Susan ist intrinsisch motiviert und ist in der Lage auch in einem didaktisch schwach gestaltetem E-Learning Kurs das Maximale heraus zu holen. Sie hat hohe selbstregulatorische Fähigkeiten und ist nach ihrem Interesse geleitet. Robert nicht. Er möchte vor allem eine Qualifikation für einen späteren Job erwerben. Als Folge versucht er mit nicht minimalem Aufwand das Maximale aus seinen Kursen heraus zu holen. Robert wird daher eher passiv lernen und oberflächliche Lernstrategien (z.B., Erinnern, Notizen schreiben) ausführen, während Susan sehr aktiv lernt und tiefe Lernstrategien ausführen wird (z.B. Anwenden, Verbinden).

Aus didaktischer Sicht hilft es nicht, Robert als demotiviert zu bezeichnen. Was wäre damit gewonnen? Wir möchten vielmehr versuchen Robert auf das Niveau von Susan zu bringen. Das Problem besteht allerdings darin, dass das Lernverhalten von Robert sehr stark daran gekoppelt ist, wie das Wissen in den Kursen, die er besucht geprüft wird. In unserem oberen Beispiel würde Robert mit STRG + F nach den richtigen Antworten zu den Multiple-Choice Fragen suchen. Er hätte damit nichts gelernt. Marton und Säljö (1976) sprechen bei einem solchen Lernverhalten von einem Surface Approach. Sie meinen damit, dass Robert nur das Minimalste tut, um einen Kurs zu bestehen und oberflächliche Lernstrategien verwenden. Es geht darum, die Vorgaben des Kurses durch minimalen Aufwand umzusetzen. Es gibt mehrere Gründe für einen solchen Ansatz. Lernende haben nicht genügend Zeit, die Inhalte zu verstehen, die vorgegebenen Ziele unterstützen einen Surface Approach, da sie lediglich Fakten abfragen oder die Vorgaben für das Erreichen eines Zieles sind von den Lehrkräften nicht umfassend genug kommuniziert worden (zum Beispiel: “Ihr müsst das halt lernen”). Susan wiederum hat einen Deep Approach, da sie sich die Inhalte selbstreguliert aneignet und diese auf das kleinste Detail verstehen möchte. Deep Approach benötigt ein gewisses Maß an Vorwissen und eine Präferenz dafür das Große und Ganze mitsamt den kleinen Details zu lernen.

Es gibt drei Wege mit Lernenden wie Robert umzugehen. Das erste Modell heißt Blame Model. In diesem Modell unterteilen wir Lernende in gute und schlechte Lernende. Prüfungen wie eine Klausur dienen dazu, gute von schlechten Lernenden zu trennen. Dieses Modell ist im rechten Sinne nicht didaktisch, da wir die Schuld den Lernenden geben und uns keine Gedanken machen, wie wir die Lernenden in ihrem Lernen fördern können. Das zweite Modell nennen wir Teacher Model. In diesem Modell akzeptieren wir, dass Lernende gefördert werden können, orientieren uns allerdings an der Frage, was die Lehrenden machen. Wir gehen davon aus, dass es effektive und weniger effektive Arten gibt zu unterrichten. Dieses Modell ist didaktischer als das Blame Model, es ignoriert allerdings den Kontext und damit die Lernenden. Die zu Grunde liegende Metapher des Lernens ist die Vermittlung und nicht die Konstruktion von Wissen. Im dritten Modell, dem Student Model fragen sich Lehrende, was die Lernenden machen müssen, um die vorgegebenen Ziele zu lernen. Dies ist die didaktischste Sichtweise, da sie berücksichtigt, was Lernende bereits wissen und welche Aktivitäten notwendig sind, um Lernende zu fördern.

“Good teaching is getting most students to use the level of cognitive processes needed to achieve the intended outcomes that the more academic students use spontaneously.”. (Biggs, 2007, S. 11)

Es hilft also nicht, Robert die Schuld zuzuschieben. In der universitären Lehre gibt es mehr Roberts als Susans. Dies gilt ebenso für E-Learning Produkte. Die didaktische Herausforderung besteht daher darin, E-Learning Produkte so zu produzieren, dass Lernende wie Robert das Niveau erreichen, welches wir mit den intendierten Lernzielen vorgeben. Eine Möglichkeit dieses Problem zu lösen, stammt von John Biggs und heißt Constructive Alignment und basiert auf der Idee der Outcome-Based Education.

3.4 Outcome-Based Education

Unsere beiden Perspektiven haben uns gezeigt, dass Lernende häufig zuerst an die Ziele ihrer Kurse denken. Was sollen die Lernenden lernen? Diese Ziele variieren von sehr genauen Zielen bis zu sehr einfach formulierten Zielen. Nehmen wir den Kurs Product Manager von Udacity. Dort sollen die Lernenden folgende Dinge aus dem Kurs lernen:

“You will learn how to define product strategy and KPIs based on market analysis, pitch a product vision to get stakeholder buy-in, and design a user-centered prototype that adheres to engineering constraints. Then, you will develop an execution timeline that handles competing priorities, communicate a product roadmap that builds consensus amongst internal stakeholders, and create a comprehensive go-to-market plan based on product KPIs. Finally, once launching a product into the market, you’ll learn how to build tests to enhance product features based on market data.”

Diese Ziele sind sehr spezifisch und verwenden Verben, die wir prüfen können (z.B., “define”, “develop”). Andere Kurse wie beispielsweise der Kurse The Science of Everyday Thinking formulieren allgemeinere Ziele:

“We will provide tools for how to think independently, how to be skeptical, and how to value data over personal experience. We will examine the mental shortcuts that people use and misuse, and apply this knowledge to help make better decisions, and improve critical thinking”

Diese Ziele orientieren sich an der Frage, was die Lehrkräfte mit den Lernenden machen, nicht daran, was die Lernenden später können werden (z.B. “provide tool”, “will examine”). Noch allgemeiner formuliert der Kurs Think Again IV: How to Avoid Fallacies seine Ziele:

“In this course, you will learn about fallacies. Fallacies are arguments that suffer from one or more common but avoidable defects: equivocation, circularity, vagueness, etc. It’s important to learn about fallacies so that you can recognize them when you see them, and not be fooled by them. It’s also important to learn about fallacies so that you avoid making fallacious arguments yourself.”

Wenn wir E-Learning Kursen entwickeln, möchten wir wenn möglich, sehr genaue Ziele formulieren, die ebenso prüfbar sind (mehr dazu später). Wir sehen allerdings bereits, dass sich Kurse in der Detailschärfe der Ziele deutlich unterscheiden. Dennoch: Die meisten E-Learning Kurse folgen der Idee des Outcome-Based Education (OBE), da sie überhaupt Ziele formulieren. Die Ziele werden zu Beginn vorgegeben und die Kurse versuchen sicher zu stellen, dass diese Ziele umgesetzt werden. Eine besondere Form des Outcome-Based Education sind Kompetenzstandards bzw. Bildungsstandards (siehe Kultusministerkonferenz), da sie versuchen die Ziele als Fähigkeiten zu formulieren, die Lernenden später können sollen.

Aus der Motivationsforschung wissen wir, dass besonders zu Beginn von Lernerfahrungen Erwartungen an die eigenen Fähigkeiten zentral sind, Lernende zu motivieren (siehe Pintrich (2003)). Habe ich früh das Gefühl, Aufgaben, die an mich gestellt zu werden, nicht lösen zu können, werde ich weniger Zeit mit der Domäne verbringen und einfachere Aufgaben lösen als wenn ich das Gefühl habe, ich kann die Aufgaben lösen, die an mich gestellt werden. Indem wir Lernumgebungen an konkrete Ziele ausrichten, welche von den meisten Lernenden durch Mühe erreicht werden können, trägt dies wiederum zur Motivation der Lernenden bei. Das Gegenstück zu Outcome-Based Assessment allerdings nicht: Norm-references Assessment. Bei dieser Form der Prüfung sagen wir Lernenden wo sie im Vergleich zu anderen Lernenden stehen. Die Erfolgserwartung ist hierdurch nicht an den Lernstoff, sondern an den sozialen Vergleich gekoppelt. Outcome-Based Assessment ist daher zu bevorzugen, da es die Kompetenz der Lernenden in den Vordergrund stellt, welche besonders für Novizen motivationsfördernd ist.

3.5 Constructive Alignment

Constructive Alignment entspringt aus der Idee, diese Orientierung an Zielen mit den Lehr- und Lernmethoden zu verzahnen, die Lernende in einem Kurs bearbeiten sollen und mit den Prüfungsmethoden zu verzahnen, welche diese Ziele prüfen (in anderen Worten Constructive Alignment). Der konstruktive Teil (constructive alignment) entsteht, indem die Ziele, welche vorgeben sind, kognitiv anspruchsvoll sind (z.B., indem Lernende etwas kreieren oder analysieren sollen). Constructive Alignment hat daher drei zentrale Bausteine, die wir so eng wie möglich in jeder E-Learning Umgebung verbinden sollten:

  • Die intendierten Lernziele ILOs (intended learning outcomes)
  • Die Lehr- und Lernaktivitäten TLAs (teaching/learning activites)
  • Die Prüfungsmethoden TAs (assessment tasks)

Modell des Constructive Alignment

Das Ziel ist die maximale Konsistenz dieser drei Bereiche. Lernende, die in einer solchen Lernumgebung lernen, sind eingeschlossen. Selbst wenn sie sich an den Prüfungsmethoden orientieren, werden sie versuchen für die gleichen Ziele zu lernen, die wir als E-Learning Entwickler vorgeben. Ebenso werden die Lernaktivitäten dazu beitragen, die Prüfungen zu bestehen und daher von den Lernenden bereitwilliger angenommen.

Auf diesem Hintergrund ist es teils geradewegs grotesk wie manche E-Learning Kurse aufgebaut ist. Viele Kurse verfolgen folgenden Aufbau: Die intendierten Lernziele werden taxonomisch hoch eingeordnet. Lernende sollen am Ende des Kurses etwas analysieren oder anwenden können. Die Lernenden erhalten innerhalb des Kurses sehr viel Material, welches häufig von den intendierten Zielen abgekoppelt ist und später ebenso wenig in den Prüfungsmethoden abgeprüft wird (siehe Knowledge Telling nach Scardamalia und Bereiter (1987). Die Prüfungsmethoden selber enthalten vor allem Multiple-Choice Fragen, welche taxonomisch niedrige Prozesse ansprechen (z.B. identifizieren oder erinnern).

Solche Kurse brechen die Idee des Constructive Alignnment an drei Stellen. Alle drei Verbindungen zwischen den Zielen, den Lehr- und Lernmethoden sowie den Prüfungsmethoden sind nicht umgesetzt. Als Folge werden Lernende wie Robert die impliziten Ziele lernen, welche in der Prüfungsmethode versteckt sind. Prüfen die Prüfungsmethoden lediglich das Erinnern von Fakten, werden diese Lernenden genau dies aus dem Kurs mitnehmen. Ist das Constructive Alignment umgesetzt ist die Chance hierfür geringer, da die Ziele zum einen kognitiv anspruchsvoller sind und zum anderen diese Ziele mit der Prüfungsform verbunden sind.

Wenn wir daher einen Kurs nach der Idee des Constructive Alignment gestalten, sollten wir folgendermaßen vorgehen: Zunächst werden die intendierten Lernziele formuliert. Anschließend wird eine Lernumgebung geschaffen, in denen die Lehr- und Lernaktivitäten die intendierten Lernziele aktivieren. In den Prüfungsmethoden werden die Verben und der Inhalt, die in den intendierten Lernziele genannt sind angesprochen. Die Bewertung der Prüfungsmethoden erfolgt durch ein ein Prüfungsschema (Rubrik), welches erlaubt festzustellen, wie umfassend die intendierten Lernziele erreicht wurden. Biggs beschreibt dieses Verfahren wie folgt:

“Once we have sorted out the ILOs, we design TLAs that are likely to encourage students to engage the verbs that are made explicit in the ILOs, thus optimizing the chances that the intended outcomes will be achieved. Next, we select assessment tasks that will tell us whether and how well each student can meet the criteria expressed in the ILOs. Again, this is done by embedding the verbs in the ILOs in the assessment tasks. ILOs, teaching and assessment are now aligned, using the verbs in the ILOs as markers for alignment.” (Biggs, 2007, S. 60)

3.6 Beispiel für gut umgesetztes Constructive Alignment

Der Kurs Become a Product Manager von Udacity setzt die Idee des Constructive Alignment konsequent um. Betrachten wir zunächst nochmal die intendierten Lernziele des Kurses:

“You will learn how to define product strategy and KPIs based on market analysis, pitch a product vision to get stakeholder buy-in, and design a user-centered prototype that adheres to engineering constraints. Then, you will develop an execution timeline that handles competing priorities, communicate a product roadmap that builds consensus amongst internal stakeholders, and create a comprehensive go-to-market plan based on product KPIs. Finally, once launching a product into the market, you’ll learn how to build tests to enhance product features based on market data.”

Achten wir zunächst auf die Verben, welche für diese Ziele verwendet werden: Lernende werden eine Produktstrategie definieren, ein Vision für ein Produkt pitchen, einen Prototypen designen. Um Constructive Alignment umzusetzen, müssen diese Verben in den Lehr- und Lernmethoden sowie den Prüfungsmethoden aktiviert werden. Der Kurs ist kostenpflichtig und erlaubt daher keinen Einblick in die Lehr- und Lernmethoden. Allerdings sind die Lehr- und Lernmethoden sowie die Prüfungsmethoden ausführlich in einem Handout beschrieben. Dort steht, dass Lernende verschiedene Projekte im Verlaufe des Kurses umsetzen werden. Das erste Projekt umfasst folgende Tätigkeiten:

The inception of any product that gets built starts with a vision and a product manager that rallies stakeholders behind that vision. In this project, you will choose to act as a product manager for one of four top technology companies and develop a compelling pitch for the development of a new product. You’ll be provided a business scenario relevant to each of the four companies and based on the provided business scenario of the company you choose, you will perform primary and secondary market research to identify target users and size the market opportunity for a new product. Then, you will compile your analysis into a pitch deck and present the vision of your product to business stakeholders.

Erneut tauchen ähnliche Ziele in der Prüfungsmethode der Projekte auf. Das Ziel ist es eine Produktstrategie zu definieren und im Projekt setzen die Lernenden eine Marktrecherche um und identifizieren ihre Zielgruppe. Der Kurs ist durch Formen der direkten Instruktion und durch Projekte aufgebaut. In der direkten Instruktion werden erneut Inhalte besprochen, die in den Zielen vorgeben sind:

  • Describe various customer discovery techniques for gathering requirements”
  • Define and craft compelling vision for a new product”
  • Build a Business Model Canvas for a product opportunity”
  • Define key performance indicators (KPIs) that align product strategy to organizational goals”

Lernende, die diesen Kurs bestehen wollen, werden zwangsläufig die intendierte Lernziele erreichen, da die Prüfungsmethoden und die Lehr- und Lernmethoden äußerst eng mit diesen Zielen verbunden sind. Ebenso sind die Ziele konstruktiv (contructive alignment) und regen kognitiv anspruchsvolle Lernprozesse an. Lernende wie Robert werden daher trotz ihres Surface Approaches auf ein anderes Level gehoben, da der Kurs lernförderliche Aktivitäten unterstützt. Ebenso werden Lernende wie Susan von diesem Kurs profitieren, da sie ohnehin die nötige Lernvoraussetzungen mitbringen.

3.7 Intendierte Lernziele formulieren

In der Idee des Constructive Alignment sollten die intendierten Lernziele Verben verwenden, die kognitiv anspruchsvolle Prozesse umfassen, welche einen Deep Approach unterstützen.

Verben, die mit deep und surface Approaches verbunden sind

Reflektieren, analysieren und Probleme lösen sind taxonomisch hoch und kognitiv anspruchsvoll. Identifizieren, paraphrasieren und erinnern sind taxonomisch niedrig und stehen eher für einen Surface Approach. Entscheidend ist, dass jedes intendierte Lernziel ein starkes Verb umfasst, welches prüfbar ist. Das Verb verstehen ist nicht prüfbar, da damit ein interner kognitiver Prozess beschrieben wird. Identifizieren ist prüfbar, da wir bestimmen können, ob jemand etwas identifizieren kann oder nicht. Beispielsweise, ob ein Kind einen Hund in einem Fotobuch identifizieren kann. Es gibt eine Reihe an Verben aus denen wir wählen können (siehe Biggs, 2007).

Bei der Formulierung der intendierten Lernziele sollten die Verben mit einem Inhalt und einem Kontext verbunden werden. Zum Beispiel:

  • “Nach dem Kurs kannst du im Detail erklären [Verb] warum die Ozonschicht [Inhalt] wichtig für das Überleben der Menschen ist [Kontext]”
  • *Nach dem Kurs kannst du eine Powerpoint [Inhalt] entwerfen [Verb], welche die Gestaltprinzipien beachtet [Kontext]".

Weniger ist dabei mehr. Kurse sollten nicht mehr als fünf oder sechs intendierte Lernziele umfassen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass nicht genügend Lehr- und Lernmethoden verwendet werden können, um diese Ziele zu erreichen.

3.8 Lehr- und Lernmethoden definieren

Im zweiten Schritt werden die Lehr- und Lernmethoden definiert. Eine umfassende Beschreibung der Lehr- und Lernmethode ist an dieser Stelle nicht möglich. Ein paar Aspekte sind allerdings entscheidend. Jede Lehr- und Lernaktivität sollte eines der Verben der intendierten Lernziele aktivieren. Stell dir beispielsweise vor, dein intendiertes Lernziel ist, dass Lernende die Erde im Sonnensystem identifizieren können sollen. Eine Lernaktivität könnte folgendermaßen aussehen:

  • Du erstellst ein instruktionales Video bei dem du die Verteilung von Planeten in unserem Sonnensystem erklärst. Bei dem Video verzichtest du auf Details, da die räumliche Position der Planeten für dein Ziel zentral ist.
  • Du gibst Lernenden eine 3-D Simulation mit der sie die Verteilung der Planeten untersuchen können.
  • Du verlangst von den Lernenden, dass sie das Planetensystem aus ihrem Gedächtnis nachzeichnen und auf die Plattform hochladen. Zudem sollen die Lernenden jeden Planeten auf der Zeichnung benennen.

Jedes dieser Ziele spricht das Verb identifizieren in einer anderen Art und Weise an. Eine nötige Konsequenz der Aktivierung dieser Verben ist zudem, dass keine Lehr- und Lernmethoden verwendet werden sollten, die nichts mit dem Lernziel zu tun haben. Dies wird häufig als Weeding bezeichnet Ibrahim et al., 2012 und ist ein häufiges Problem beim Schreiben von Novizen (siehe Strunk, 2007, omit needless words). Viele Entwickler von E-Learning Produkten haben das Bedürfnis alle Informationen, die sie haben als Ablageort in einen E-Learning Kurs zu packen. Dies ist allerdings nicht im Sinne der Didaktik und des Constructive Alignment, da irrelevante Inhalte weder mit den Zielen noch den Prüfungsmethoden in Verbindung stehen. Wir sollten daher nur diejenigen Inhalte unterrichten, die mit unseren Zielen in Verbindungs stehen.

3.9 Prüfungsmethoden definieren und Bewertungsraster erstellen

“We teachers might see the intended learning outcomes as the central pillar in an aligned teaching system, but our students see otherwise: ‘From our students’ point of view, assessment always defines the actual curriculum’ (Ramsden 1992: 187).” (Biggs, 2007, S. 169)

Als Entwickler von E-Learning Produkten dürfen wir nie vergessen, wie verhaltensleitend die Prüfungsmethoden sind, welche wir vorgeben. Lernende orientieren sich an diesen Prüfungsformen. Es ist daher essentiell, dass diese Prüfungsmethoden diejenigen Verben ansprechen, welche wir durch die Ziele definiert haben. Wer möchte, dass Lernende in der Lage sind ein Buch zu interpretieren, sollte am Ende keine Multiple-Choice Fragen verwenden, um Fakten abzufragen. Eine gute Möglichkeit dies sicher zu stellen, ist die Verwendung von Projekten. Projekte sprechen direkt Verben an, die komplex genug sind. Zudem lassen sich Projekte durch ein ausführliches Bewertungsraster gut bewerten. Schau dir beispielsweise folgendes Bewertungsschema für den Kurs How to Use Git and GitHub von Udacityan. Das Bewertungsraster gibt exakt vor, welche Leistungen nötig sind, damit das Ziel erreicht wird (“does not meet specifications”, “meets specificatios”, “exceeds specifications”). Ganz ähnlich definiert folgendes Bewertungsschema klare Kriterien für den Kurs Full Stack Web Developer. Bewertungsraster sind ein Phänomen der Idee der Outcome-Based Education und ermöglichen uns als E-Learning Entwickler, Lernenden konkrete Rückmeldungen über ihre Leistungen zu geben.

3.10 Zusammenfassung

Modell des Constructive Alignment

Constructive Alignment ist das umfassendste Prinzip für E-Learning Produkte. Egal, welches Produkt du als E-Learning Entwickler umsetzt, es sollte immer die Grundidee des Constructive Alignment beherzigen: Die Verzahnung der intendierten Lernziele mit den Lehr- und Lernaktivitäten und den Prüfungsmethoden. Lernende, die in solchen Lernumgebungen lernen, werden mehr aus dem Kurs mitnehmen und sind weniger in der Versuchung oberflächliche Strategien anzuwenden, um einen Kurs zu bestehen. Wie konkret Lehr- und Lernmethoden umgesetzt werden, bzw. wie Prüfungsmethoden formuliert werden, lernst du in den nachfolgenden Kapiteln. Im nächsten Teil werden wir ein weiteres Makroprinzip der didaktischen Gestaltung von E-Learning Produkten kennen lernen, instruktionale Designmodelle.

3.11 Weiterführende Literatur

Biggs, J. (1996). Enhancing teaching through constructive alignment. Higher Education, 32(3), 347-364. https://doi.org/10.1007/BF00138871

Biggs, J. (1999). What the student does: Teaching for enhanced learning. Higher Education Research & Development, 18(1), 57-75. https://doi.org/10.1080/0729436990180105

Biggs, J. B. (2014). Teaching for quality learning at university: What the student does. McGraw-hill Education.

3.12 Aufgabe

3.12.1 Kurzbeschreibung

3.12.2 Detaillierte Beschreibung

Constructive Alignment ist eines der wichtigsten Prinzipien in der Gestaltung von E-Learning Kursen. Durch die Umsetzung des Constructive Alignments stellen wir als Entwickler sicher, dass Lernende die Lernziele erreichen und heben hierdurch die Qualität unseres Kurses. Zudem ermöglichen wir, dass keine irrelevanten Lerninhalte in den Kurs integriert werden. In dieser Aufgabe analysierst du ein intendiertes Lernziel des Kurses Think Again I: How to Understand Arguments der Plattform Coursera. Laut dem Kurs werden in der ersten Woche folgende intendierten Lernziele erreicht:

Intendierten Lernziele Woche 1: “In this week’s material we will teach you how to identify arguments as opposed to abuse . We will define what an argument is, distinguish various purposes for which arguments are given (including persuasion, justification, and explanation), and discuss the material out of which arguments are made (language).”

Deine Aufgabe ist es, eines dieser Ziele zu nehmen und im Detail mit Hilfe es Handouts zur Analyse des Constructive Alignments zu analysieren. In diesem Handout dokumentierst du zunächst das intendierte Lernziel, die Lehr- und Lernmethoden, welche für dieses Lernziel entwickelt wurden und die Prüfungsmethoden, welche prüfen, ob dieses Lernziel erreicht wurde. Nach dieser Dokumentation analysierst du das Constructive Alignment für dieses eine von dir gewählte Lernziel. Die eigentliche Analyse (letzte Überschrift des Dokuments) sollte ~ 500 Wörter umfassen.

Schreibe die Analyse in ganzen Sätzen. Gebe die Aufgabe als Word-Datei (.docx) auf Ilias ab. Benenne das Dokument mit 02_NACHNAME_constructive_alignment.docx. Nur formal korrekt deklarierte Dokumente werden gewertet. Die Deadline für die Abgabe ist am 07. Juni um 23:55 Uhr. Eine verspätete Abgabe wird als nicht abgegeben bewertet.