2 E-Learning Einführung

2.1 Es gibt kein E-Learning

E-Learning ist eine Lehrform, welche über digitale Geräte vermittelt wird. Jeder Kurs, der über Smartphones, Laptops oder PCs angeboten wird, kann daher als E-Learning bezeichnet werden. Mitarbeiter, die sich online über ihr Unternehmen weiter bilden, verwenden E-Learning Produkte. Studierende, die über ein Lernmanagementsystem ihre Kursunterlagen erhalten, verwenden E-Learning Produkte. Touristen, die für eine Reise eine Sprache mit einer App auf ihrem Smartphone lernen, verwenden E-Learning Produkte. Gemein ist diesen Beispielen, dass E-Learning dem Lernen dient. E-Learning ist allerdings keine besondere Form des Lernens. Nicht ein Medium verursacht lernen, sondern instruktionale Methoden, die schlussendlich kognitive Prozesse in Lernenden auslösen. Allen technischen Neuerungen wurde eine magische Wirkung auf das Lernen von Lernenden zugesprochen (Cuban, 1986). Vom Radio oder dem Fernseher versprach man sich umstürzende Änderungen im Zugang zu Bildung. Diese Änderungen sind allerdings nicht eingetreten. Aus einem einfachen Grund. Wie wir lernen ist vor allem dadurch bestimmt, wie unser Gedächtnis funktioniert. Ein gutes E-Learning Produkt ist daher ein Produkt, welches die Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Lernens beachtet. Die Frage sollte daher lauten, wie können wir die technischen Möglichkeiten ausnutzen, um Menschen beim Lernen mit digitalen Geräten zu unterstützen (Mayer, 2019).

E-Learning gibt es in diesem Sinne gar nicht, sondern lediglich Lernumgebungen, die über digitale Geräte angeboten werden. In diesem Kurs werden wir daher eine didaktische Perspektive auf die Gestaltung von E-Learning Produkten einnehmen. Mit dieser Perspektive werden wir lernen, E-Learning Produkte anhand ein paar zentraler Konzepte zu analysieren, die für fast alle E-Learning Umgebungen gelten. Hierzu beginnen wir mit sehr groben Prinzipien, die den generellen Aufbau von E-Learning Kursen betreffen (Constructive Alignment und Instruktionale Designmodelle). Mit diesen ersten Prinzipien werden wir lernen, wie man gute Videos gestaltet, lernförderliche Aufgaben schreibt und Konzepte und Prinzipien in online Lernumgebungen erklärt. Dieses Wissen ist das Rüstzeug für E-Learning Entwickler. Software ist flüchtig und wird sich stetig verändern. Was bleibt sind didaktische Prinzipien, die sich als wirksam erwiesen haben und auch in 10 Jahren in E-Learning Kursen beachtet werden sollten.

2.2 Der E-Learning Markt

E-Learning Entwickler werden es in der Zukunft nicht schwer haben, einen Beruf zu finden. Insbesondere die aktuelle Corona-Krise hat Unternehmen deutlich gemacht, wie wichtig eine flexible Weiterbildung über digitale Lernformate ist. Das belegen auch die Zahlen. Der E-Learning Markt wächst. Im Jahr 2025 wird vorhergesagt, dass in etwa 325 Milliarden Dollar mit E-Learning weltweit umgesetzt wird (siehe Forbes). Andere Zahlen sprechen von 398 Milliarden im Jahr 2026 und 176 Milliarden im Jahr 2017 (siehe Reuters). Im Jahr 2015 waren es noch ~ 107 Milliarden Dollar Umsatz. Im Vergleich, der Umsatz der Filmindustrie beträgt momentan in etwa 286 Milliarden US Dollar. Dies entspricht dem Umsatz, den Apple momentan pro Jahr macht (258 Milliarden). E-Learning ist daher bereits jetzt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Die größten Wachstumsraten im E-Learning Bereich finden momentan in Indien und China statt. Dort wächst der E-Learning Sektor um jährlich 50 %. Weltweit wächst der E-Learning Markt um 9.2 % jährlich. Dass E-Learning ein großes Business ist, sieht man daran, dass LinkedIn im Jahr 2015 Lynda, einer der größten E-Learning Plattformen, für 1.5 Milliarden Dollar gekauft hat. Linda hat momentan in etwa 350 Millionen Nutzer.

Das Wachstum des E-Learning Sektors, erkennt man ebenso an den Zahlen der großen E-Learning Anbieter. Die drei größten MOOC-Anbieter Udacity, edX und Coursera haben Millionen Lernende: Coursera beispielsweise hat 37 Millionen registrierte Nutzer, edX 18 Millionen, XuetanxX 14 Millionen, Udacity 10 Millionen und FutureLearn 8.7 Millionen (siehe hier). Tatsächlich vergrößern diese Firmen Ihre Einnahmen über die Jahre fast linear. Udacity hat momentan einen Umsatz von 90 Millionen, edX 60 Millionen und Coursera 140 Millionen. Gleichzeitig steigen die Anzahl der Kurse linear über die Jahre. Ein anderes bekanntes Beispiel ist Duolingo, welches 700 Millionen Dollar wert ist. Der Umsatz von Duolingo beträgt 36 Millionen. Zudem wachsen unter den MOOCs die Anzahl der Absolventen. Udacity verzeichnete im Jahr 2018 65,000 Alumni und 45,000 Absolventen ihrer Nanodegrees (siehe hier). Die KhanAcademy hat mittlerweile 71 Millionen Nutzer, darunter 1.5 Millionen aktive Nutzer. Mit in etwa 27.000 Videos umfasst die KhanAcademy einer der größten Sammlung instruktionaler Videos. Beispielsweise haben sich in den USA 2.3 Millionen Nutzer bereits KhanAcademy genutzt, um sich für ihr SAT vorzubereiten. Udemy wiederum hat in etwa 20 Millionen Nutzer.

Die Trends der Begriffe Online Learning und E-Learning zeigen, dass beide Begriffe in den letzten Jahren ein wenig weniger oft erwähnt werden. Im Deutschen ist der Begriff E-Learning etwas geläufiger als Online Learning, während weltweit Online Learning geläufiger ist (siehe hier). Diese Trends zeigen allerdings nur, dass die Begriffe in der Websuche leicht abgenommen haben. Den Bedarf nach E-Learning schmälern diese Fakten nicht. Zum einen, da die Ausbildung von Menschen nicht nur aus idealistischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen ein hohes Gut ist. Beispielsweise zeigt die Forschung von Psacharopoulus und Patrinos, 2004, Hanushek und Woessmann (2008), Haushek and Woessmann (2010), Hanushek et al. (2015), sowie Card (1999), dass die Höhe der Ausbildung von Menschen einen positiven Effekt auf das Wachstum eines Landes hat. Kurzum “What people know matters” (Hanushek & Woessmann, 2008, S. 251). Einen wichtigen Beitrag hat hierbei der tertiäre Sektor. Arbeitnehmer müssen fortwährend weiter ausgebildet werden. Unterstützt wird diese Annahme, durch die Tatsache, dass der tertiäre Bildungssektor in Deutschland in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen ist. Aktuell nehmen in Deutschland fasst 60 % der Bevölkerung an tertiärer Bildung teil. Insgesamt befinden sich Deutsche im Schnitt 17 Jahre in Bildungsinstitutionen. Allerdings gibt Deutschland seit 1995 in etwa gleich viel Prozent für Bildung aus wie im Jahre 2018. In etwa 4.1 % (siehe hier). Andere Zahlen sprechen von 5,3 %.

Auf dem deutschen Markt liefert der jährliche mmb Branchenmonitor E-Learning Wirtschaft verlässliche Zahlen über die Entwicklung der E-Learning Branche in Deutschland. In diesem Bericht wird die Entwicklung von 31 Deutschen Unternehmen im Bereich E-Learning dargestellt. Der Bericht zeigt, dass seit 2007 die Umsatzentwicklung jährlich gestiegen ist. Insgesamt erreicht der E-Learning Markt aktuell in Deutschland einen Umsatz von in etwa 1 Milliarde Euro. Im Vergleich, die Automobilindustrie hatte im gleichen Jahr einen Umsatz 426 Milliarden Euro. Den größten Umsatz machen die E-Learning Anbieter mit dem Verkauf von digitalen Kursen (36,3 Milliarden) und deren Erstellung (24,8 Milliarden). Der Verkauf von technischen Tools wie beispielsweise Wissensmanagementsoftwares ergibt einen Umsatz von 22,8 Milliarden Euro. Das Kerngeschäft von E-Learning Anbietern ist daher die Produktion und der Verkauf von E-Learning Kursen. 77 % dieser Kurse sind maßgeschneidert. Entwickler von E-Learning Kursen müssen daher in den meisten Fällen bedarfsgerechte Lernangebote entwickeln und ihr breites pädagogisch-psychologisches Wissen nutzen, um lernwirksame Kurse zu entwickeln. Die vier größten E-Learning Anbieter sind ComCave Group, SAP Education, tts GmbH und imc information multimedia communication AG. Im Hinblick auf diese Zahlen ist es zu erwarten, dass E-Learning über die Jahre immer wichtiger wird.

2.3 Was ist E-Learning?

E-Learning ist ein Sammelbegriff für sehr unterschiedliche digitale Lernprodukte. Es ist daher keine Überraschung, dass es viele Definitionen zum Begriff E-Learning gibt. Means (2014) definiert Online Learning beispielsweise folgendermaßen:

“As we use the term ‘online learning’ refers to a learner’s interaction with content and/or people via the Internet for the purpose of learning. The learning may be part of a formal course or program or simply something learners pursue for their own interests. We restrict our concept of online learning to learning that occurs with the purpose of finding out information or learning to do something, even if that something is how to play an online game. We do not include incidental learning that may occur in the process of pursuing other goals (for example, what might be learned about different products in the process of shopping). Both teacher-led instruction and resources designed to instruct without the presence of a teacher meet our definition of online learning if they are carried out over the Internet.” (S. 6 - 7).

In ihrer Definition kann man nur von E-Learning sprechen, sofern der erste Zweck des Produktes das Lernen ist. Wenn ich zufällig im Internet etwas surfe und darüber etwas Neues erfahre, würde Means nicht von E-Learning sprechen. Wikipedia fasst den Begriff etwas weiter und schließt dieses zufällige Lernen über digitale Medien implizit mit ein:

“Unter E-Learning oder Electronic Learning (englisch electronic learning „elektronisch unterstütztes Lernen“, wörtlich: „elektronisches Lernen“), auch als E-Lernen (E-Didaktik) bezeichnet, werden – nach einer Definition von Michael Kerres – alle Formen von Lernen verstanden, bei denen elektronische oder digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lernmaterialien und/oder zur Unterstützung zwischenmenschlicher Kommunikation zum Einsatz kommen.” (Wikipedia, February 2019)

Noch enger fasst Clark und Mayer (2016) den Begriff. Wie bei Means sind E-Learning Produkte gestaltet, um Lernen zu fördern:

“We define e-learning as instruction delivered on a digital device such as a computer or mobile device that is intended to support learning. The forms of e-learning we examine in this book have the following features: (1) Stores and/or transmits lessons on CD-Rom, local internal or external memory, or servers on the Internet or intranet, (2) Includes content relevant to the learning objective, (3) Use media elements such as words and pictures to deliver the content, (4) Uses instructional methods such as examples, practice, and feedback to promote learning, (5) May be instructor-led (synchronous e-learning) or designed for self-paced individual study (asynchronous e-learning), (6) Helps learners build new knowledge and skills linked to individual learning goals or to improved organizational performance.” (S. 8 - 9)

Zusammengefasst können wir die drei Definitionen wie folgt kategorisieren:

Means Clark Wikipedia
Über das Internet X (X) (X)
Ziel == Lernen X X X
unbeabsichtigtes Lernen X - (X)
Bild und Wörter (X) X -

E-Learning dient dem Lernen, vor allem dem beabsichtigten Lernen von Lernenden. Es wird über digitale Medien, vor allem über das Internet und das Web angeboten. Meist werden die Inhalte in E-Learning Umgebungen über Bilder und Wörter vermittelt. Wir definieren in diesem Kurs E-Learning daher wie folgt:

“E-Learning umfasst alle digitalen Technologien, die explizit dazu entwickelt wurden, Lernvorgänge zu unterstützen und visuell dargeboten werden. Lernen, welches implizit (z.B. während dem Browsen im Internet) bei der Verwendung dieser digitalen Technologien stattfindet, ist kein E-Learning. Unterstützen bedeutet, dass diese digitalen Technologien entweder direkt Lernumgebungen darstellen oder Nutzern Lehr- und Lernmaterialien in digitaler Form bereit stellen.”

Unter dieser Definition zählen beispielsweise Hörbücher nicht zu E-Learning Produkten, da sie auditiv dargeboten werden. Auch das Betrachten von Filmen über Netflix zählt nicht als E-Learning Produkt, selbst wenn ein Nutzer etwas aus dem Film für sich lernt (z.B. einer Dokumentation), da das Ziel von Filmen nicht explizit das Lernen der Filminhalte ist.

Um zu verstehen, was E-Learning ist, hilft es, sich ein paar Beispiele anzusehen (für eine umfangreiche Liste empfehle ich dir diesen Link). Der Kurs CS50 ist ein sehr beliebter Online-Kurs der Plattform edX. Der Kurs wird von der Harvard Unversität auf edX seit einigen Jahren angeboten und zeichnet sich dadurch aus, dass Studierende an konkreten Projekten arbeiten. Der Online-Kurs an sich besteht aus Aufzeichnungen der Lehrkraft, welche zentrale Konzepte der Computerwissenschaft beibringt. Ein anderer Anbieter mit dem Namen DataCamp bietet vor allem Kurs im Bereich der Datenanalyse an. Die Kurse sind sehr strukturiert aufgebaut und vermitteln in der Regel Grundlagenwissen in einzelnen Technologien. Sehr beliebt sind ebenso Kurse von Universitäten, die online hochgeladen werden. Das MIT beispielsweise bietet seit der Jahrtausendwende eine Vielzahl an Vorlesungen online an. Das bedeutet, dass Vorlesungen aufgezeichnet werden und begleitendes Material dazu hochgeladen werden. Der beliebteste Kurs ist zum Beispiel der Kurs Introduction to Computer Science and Programming in Python. Weitere Anbieter sind Udacity, Coursera, KhanAcademy oder Udemy. Man könnte die Liste endlos weiter führen. Wir werden im Verlaufe des Kurses allerdings feststellen, dass alle diese Kurse die gleichen Elemente beinhalten, die wir analysieren können.

2.4 Typen von E-Learning

So wie der Begriff des E-Learning breit ist, gibt es auch ganz verschiede Typen an E-Learning Produkten. Viele der Begriffe überlappen sich und sind daher nicht ganz trennscharf. Historisch haben sich allerdings ein paar zentrale Begriffe etabliert. Um E-Learning Produkte hinsichtlich der Didaktik zu analysieren, machen diese Begriffe keinen Unterschied. Die Prinzipien gelten für alle. Allerdings sind diese Typen feststehende Begriffe und sollten von einer fähigen E-Learning Entwicklerin unterschieden werden können:

2.4.1 Web-Based Trainings

Web-based Trainings (WBT) sind für das Web aufbereitete Kurse. Die meisten Produkte von E-Learning Agenturen werden in Form von WBTs angeboten. Der Vorläufer von WBTs waren Computer Based Trainings (CBT). Seit den letzten zehn Jahren sind allerdings WBTs beliebter, da sie die Verbreitung der E-Learning Produkte über das Web einfacher machen. Die Einbindung von Kursen in das Web ermöglichte in den letzten 20 Jahren neue Möglichkeiten: Chats, Foren, E-Mail Kommunikation, Upload von Unterrichtsmaterialien, Einbindung von Videos. WBTs ermöglichen daher eine stärkere Kommunikation zwischen Lernenden und Dozierenden als CBTs. WBTs dienen vor allem der Vermittlung von Fachwissen. Zudem sind WBTs im Vergleich zu Open Educational Resources selten offen. Da die meisten WBTs von E-Learning Agenturen entwickelt werden, die von Firmen bezahlt werden, haben nur berechtigte Nutzer Zugang zu diesen Kursen. Erstellt werden WBTs in der Regel durch spezielle Softwares, sogenannte Autorentools. Bekannte Autorentools sind Captive und Articulate Storyline. Die Begriffe der WBTS und CBTs werden allerdings in den letzten Jahren weniger häufiger genutzt (siehe hier). WBTs waren vor allem Anfang der 00er Jahre populär. Mittlerweile spricht man eher von MOOCs oder Online Learning.

2.4.2 MOOCs

MOOCs sind Online-Kurse, die folgende Eigenschaften haben:

  • Massive (M): Es nehmen Tausende Lernende an den Kursen teil.
  • Open (O): Jeder kann an den Kursen teilnehmen, unabhängig von vorherigen Bildungszertifikaten.
  • Online (O): Die Kurse werden online über das Web angeboten.
  • Courses (C): Es handelt sich um Kurse, welche der Vermittlung von Fachwissen dienen. Die Kurse sind meist in Module aufgeteilt und dauern mehrere Wochen.

Da MOOCs für tausende Lernende konzipiert sind und daher technisch aufwendig umzusetzen sind, gab es in den letzten Jahren ein paar wenige Anbieter die den Markt abgedeckt haben: Udacity, edX und Coursera. Zum Beispiel bot edX im Jahr 2012 den Kurs Circuits and Electronics (6.002.x) an, an dem über 60.000 Lernende teilnahmen (Breslow et al., 2013). Ein Charakteristika der Lernenden in diesen Kursen ist, dass Sie in der Regel bereits einen Hochschulabschluss erworben haben und zwischen 25 und 40 Jahre alt sind (Christensen et al, 2014).

“The student population tends to be young, well educated, and employed, with a majority from developed countries. There are significantly more males than females taking MOOCs, especially in developing countries. Students’ main reasons for taking a MOOC are advancing in their current job and satisfying curiosity.” (Christensen et al, 2014, S. 1).

Es gibt eine Vielzahl an didaktisch herausragenden Kursen, allerdings auch viele Kurse, die diesen Anspruch nicht halten können (Margaryan, Bianco, & Littlejohn, 2015). Margaryan und Kollegen untersuchten beispielsweise 76 MOOCs anhand der First Principles of Instruction. Wenige Kurse aktivierten die Lernenden, unterstützten die Lernende das neue Wissen an ihr bestehendes Vorwissen anzuknüpfen oder demonstrierten das neue Wissen.

Ein typisches Phänomen von MOOCs war seit jeher die hohe Abbruchquote (Kloft et al., 2014). Obwohl tausende Studierende MOOCs beginnen, ist es häufig nur ein Bruchteil, der die Kurse auch abschließt. Für die meisten Kurse lag die Abbruchquote bei über 87 % (Onah & Boyatt, 2014). Der Grund für diese hohe Abbruchquote liegt vermutlich an der Tatsache, dass die Kurse Open sind. Viele Lernende beginnen einen Kurs aus Interesse, ohne jedoch den Wunsch zu haben, den Kurs abzuschließen.

2.4.3 Open Courseware

Open Coursewares (OCW) sind Web-Plattformen, die Lernenden frei zugänglich Kurse von Universitäten anbieten. Die Kurse umfassen Videoaufzeichnungen von Seminaren und Vorlesungen sowie das begleitende Material dieser Veranstaltungen (z.B. Literatur, Prüfungen). Ein Vorreiter der Bewegung war das MIT. Zu Beginn des neuen Jahrtausends waren die Webtechnologien so weit fortgeschritten, dass es möglich war, Videos in das Web einzubinden. Durch die Möglichkeit, Kursmaterialien online zur Verfügung zu stellen, hatte die Open Courseware Bewegung das Ziel, Bildung zu demokratisieren, sprich für alle Personen mit einem Internetzugang frei zugänglich zu machen (mehr Informationen). Im Unterschied zu Lernmanagementsystemen sind OCWs frei zugänglich und benötigen keine Nutzerrechte. Sie verfolgen daher eine ähnliche Idee wie MOOCs. Während MOOCs allerdings für das Web aufbereitete Kurse sind, sind OCW Aufzeichnungen von existierenden Präsenzkursen.

“Both the OCW and OER movements derive their energy from a growing commitment to open and accessible knowledge and information, reflected in the ideal of a knowledge commons.9 From such a perspective, existing knowledge and information should be freely available to serve the commonweal. Seen in this light, open access to knowledge and information is recognized as a basic human right. Ahrash Bissell put it quite succinctly: ‘‘Knowledge can and should be free.’’” (Rhoads, Berdan, & Toven-Lindsey, 2013, S. 89)

Im Jahr 2008 wurden in etwa 6500 Kurse über OCW Initiativen angeboten und von über 2 Millionen Nutzern besucht (Carson, 2009). Vergleichbar mit der Initiative der MOOCs führt der offene Zugang zu diesen Kursen allerdings nicht dazu, dass diese Kurse die Bildung demokratisieren (Lane, 2009). Vielmehr erreichen offene Bildungsformate häufig nur einen Bruchteil der Lernenden und häufig nicht diejenigen, welche am meisten davon profitieren würden. Die Folge mag sogar die Vergrößerung der Kluft zwischen gebildeten und weniger gebildeten Menschen sein.

2.4.4 Open Educational Resources

Neben der Initiative der Open Courseware, welches es sich zum Ziel gemacht haben, Seminare und Vorlesungen für alle Nutzer über das Web frei zugänglich zu machen, verfolgen die Open Educational Resources das Ziel, Lehr- und Lernmaterialien Nutzern frei zugänglich zu machen. Open Coursewares sind daher eine Art von Open Educational Resources.

Ein Grund für die Entwicklung von OER ist die Zeitersparnis beim Erstellen von Unterrichtsmaterialien, die Mehrarbeit bei der Erstellung von Lehrmaterialien sowie die Probleme der Rechte bei der Verwendung von Lehr- und Lernmateralien aus dem Internet. Eine weitere Motivation hinter den OCRs ist es so vielen Menschen wie möglich Zugang zu Bildungsressourcen zukommen zu lassen und auch dadurch die Bildung ein Stück weiter zu demokratisieren. Dieser Wunsch geht auf eine Initiative der UNESCO aus dem Jahre 2002 zurück.

“OER sind frei zugängliche Lehr-, Lern- und Forschungsressourcen, die gemeinfrei sind oder auf Basis freier Lizenzen die Verwendung und Veränderung erlauben. Open Educational Resources umfassen vollständige Kurse, Kursmaterialien oder -aufgaben, Lehrbücher, Videos oder Anwendungsprogramme sowie andere Werkzeuge, Materialien oder Techniken, die genutzt werden, um den Wissenserwerb zu unterstützen.” (Wikipedia, 2019 February)

Unter dieser Definition zählt auch Wikipedia als OCR. Jede Person, die Zugang zum Web hat, kann sich die Wikipediaartikel durchlesen und für Lehr- und Lernzwecke verwenden. Nach Hylén (2005) zählen zu Open Educational Resources: Offene Kurse und Kursinhalte, offene Lehr- und Lernmaterialien, offene Softwaretools (z.B. LMS) und offene Kurse. Ein interessanter Befund aus der Lernforschung zu OERS kam von Hilton III (2016) , welcher zeigen konnte, dass die Verwendung von frei zugänglichen Lehrbüchern zu gleichen Lernergebnissen als kommerzielle Lehrbüchern führen und zudem deutlich günstiger sind.

2.4.5 Blended Learning

Blended Learning ist ein Begriff, der seit den 00er Jahren immer populärer wurde. Er bezeichnet ein Lehrformat, bei dem Präsenzlehre und digitale Lehre miteinander verknüpft wird. Beispielsweise bereiten sich Lernende vor einem Kurs mit Hilfe von Web-Based Trainings auf die Präsenzsitzung vor, in der die Inhalte des WBT behandelt werden. Ein anderes Beispiel wäre die Verwendung eines Lernmanagementsystems in Begleitung zu einem Präsenzkurs. Lernende erhalten über das LMS ihre Lernmateralien (z.B. Texte) und behandeln den Lernstoff in der Präsenzveranstaltung. Da der E-Learning Markt stetig steigt, ist es gut möglich, dass der Begriff Blended Learning in den nächsten Jahren obsolet wird, schließlich könnten die meisten Lehrangebote in irgendeiner Form über Blended Learning Formate angeboten werden (siehe Graham, 2006).

2.4.6 Lernmanagement Systeme (LMS)

Lernmanagementsysteme (LMS) sind dynamische Webseiten, die der Bereitstellung von Lehr- und Lernmaterialien dienen. Unter anderem erfüllen LMS folgende Funktionen:

  • Kommunikationsplattform zwischen Dozierenden und Lernenden
  • Bereitstellung von Lernmaterialien für die Lernenden
  • Upload von Lernmaterialien zur Einsicht der Dozierenden
  • Einbindung von E-Learning Kursen
  • Speicherung und Rückmeldung relevanter Lernendendaten (z.B. Matrikelnummer, Abgaben)
  • Einbindung von Aufgaben, Quizzes

Um diese Funktionen zu erfüllen, gibt es in jedem LMS eine Benutzerverwaltung. Je nach Nutzerrecht kann man unterschiedliche Funktionen im LMS bedienen. Beispielsweise haben Dozierende in einem LMS die Möglichkeiten, Unterrichtsmaterialien hochzuladen, nicht aber Lernende. Gebräuchlich sind LMS in größeren Institutionen (z.B. Schulen, Universitäten, Unternehmen). Sie fungieren als die zentrale Plattform, in der Lehr- und Lernmaterialien gebündelt werden. Beispiele für LMS sind: Moodle, Ilias, Canvas, Open edX, Blackboard, oder Desire2Learn. Der Marktumfang dieser Systeme ist beträchtlich. Blackboard zum Beispiel wird in ~ 1100 Instituten mit über 6 Millionen Nutzer angewandt (EdTech, Oktober 2018). Das Marktvolumen von LMS ist in den letzten 9 Jahren zudem beträchtlich gestiegen. Im Jahr 2018 betrug der Marktwert von LMs weltweit 7.8 Milliarden US-Dollar, ein Anstieg von ~ 5 Milliarden über die letzten fünf Jahre (siehe Statista).

2.4.7 Webinare

Ein Webinar ist ein Seminar / ein Vortrag, der live über das Web angeboten wird (siehe dieses Beispiel). Während Screencasts lediglich die Kommunikation von Dozierenden zu Lernenden ermöglichen, geht die Kommunikation in Webinaren in beide Richtungen. Lernende können mit den Dozierenden kommunizieren und Dozierende können mit Lernenden kommunizieren. Lernende in Webinaren sehen in der Regel entweder live eine Aufnahme der Lehrperson oder eine Bildschirmübertragung des Dozierenden.

2.4.8 Intelligent Tutoring Systems

Alle E-Learning Produkte, die wir bisher kennen gelernt haben, sind nicht sonderlich intelligent. Sie stellen Lehr- und Lernmaterialien zur Verfügung, gehen aber nicht auf die Lernenden ein (z.B. Vorwissen). Intelligent Tutoring Systeme (ITSs) versuchen genau dies zu erreichen (hier ein Video mit mehr Informationen). Es handelt sich um Computerprogramme, die adaptiv auf Nutzereingaben reagieren und die Übungen und Instruktionen den Nutzereingaben anpassen. Tutoring wird seit spätestens dem Paper von Bloom (1984) als effektive Lehrmethode angesehen, um Lernende beim Erwerb von Wissen zu unterstützen. Tutoring zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um eine 1 zu 1 Situationen zwischen einem Tutee und einem Tutor handelt. Der Tutor stellt dem Tutee fragen und reagiert adaptiv auf die Antworten des Tutees mit dem Ziel, dem Tutee beim Aufbau der Lerninhalte zu helfen (siehe auch VanLehn, 2011). Ein berühmtes Beispiel für ein Intelligent Tutoring System ist AutorTutor, welches umfassend wissenschaftlich untersucht wurde (siehe Video zu AutoTutor). Ma et al. (2014) definieren Intelligent Tutoring Systeme wie folgt:

  • … präsentieren Lernenden das Lernmaterial
  • … geben Lernenden Aufgaben und Übungen
  • … geben Lernenden Feedback zu diesen Übungen
  • … beantworten Fragen der Lernenden
  • … geben Hinweise zur Bearbeitung der Übungen
  • … erstellen ein Modell des Lernenden
  • … nutzen das Modell, um adaptiv Feedback zu geben

Die Forschungslage zu Intelligent Tutoring Systems zeigt, dass diese im Vergleich zu digitalen Lehrangeboten ohne Tutoring sehr effektiv sind. ITSs erlangen Effektstärken von 0.40 bis 0.76 im Vergleich zu digitalen Lehrangeboten ohne Tutoring (VanLehn, 2011). Ähnlich erfolgreiche Ergebnisse konnten auch Koedinger und Anderson (1997) in einer ökologisch validen Studie an Schulen finden. Trotz dieser Ergebnisse sieht die Realität häufig mager aus. Baker (2016) zeigt, dass viele Intelligent Tutoring Systeme in der Praxis einfach gestrickt sind:

“But here, despite the decades of work on knowledge modeling, and the intense competition between approaches seen in published papers […] the approaches used in practice are largely fairly simple” (Baker, 2016, S. 601)

Baker schlägt vor, dass Intelligent Tutoring Systeme gar nicht so intelligent sein müssen, um effektiv zu sein. Was es braucht, sind intelligente Menschen, die auf Grundlage der Daten der Nutzer den Lernenden weiter helfen können:

“Envision that we design a system, with relatively simple interactions with students. A student is posed a mathematics problem. They can answer it, or request a hint. If they ask for a hint, they get a pre-defined set; if they make a wrong answer, they get a message telling them why they are wrong, or perhaps a scaffolding problem that helps them with a key step towards the answer. They keep working on math problems for the current skill, until they can get three in a row right. And the next morning, their teacher can look up which problems they and their classmates got right and wrong.” (Baker, 2016, S. 603)

2.4.9 Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Diese Typen unterschieden sich anhand verschiedener Kriterien. Beispielsweise sind nicht alle Typen frei zugänglich. MOOCs haben häufig einen kostenfreien Zugang, verlangen allerdings Geld für ein Zertifikat. Web Based Trainings sind meist nicht frei zugänglich, da sie von Agenturen erstellt werden, die mit den Kursen Geld verdienen. Ebenso sind nicht alle Typen direkt Lernumgebungen. Lernmanagementsysteme werden meist dafür benutzt, Lernunterlagen online zu stellen und zeigen wenige Charakteristika von Lernumgebungen (z.B. modularer Aufbau, verschiedene Formen der Instruktion bzw. Übungsaufgaben). Open Educational Resources können wiederum eher als Ressource für Lehrende und Lernende verstanden werden.

Freier Zugang Lernumgebung Ressource
Web Based Training - X -
MOOC (X) X -
Lernmanagementsystem - - X
Open Courseware (X) X -
Blended Learning - X -
Intelligent Tutoring System - X -
Open Educational Resources X (X) X
Webinar (X) X -

Fast alle Typen werden zudem mittlerweile über das Web angeboten. Lediglich Intelligent Tutoring Systeme, Open Educational Resources und Blended Learning Formate werden entweder als native Softwares auf einem Betriebssystem oder als Präsenzlehre angeboten. Wenige dieser Typen bieten zudem eine synchrone Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden an. Synchron bedeutet, dass beide Seiten gleichzeitig miteinander kommunizieren können.

Webanwendung Synchrone Kommunikation
Web Based Training X -
MOOC X -
Lernmanagementsystem X -
Open Courseware X -
Blended Learning (X) (X)
Intelligent Tutoring System (X) X
Open Educational Resources (X) -
Webinar X X

2.5 Effektivität von E-Learning

Einer der historischen Debatten ist, ob E-Learning effektiver ist als andere Lehrformate (siehe Clark, 1994). Diese Debatte ist mittlerweile obsolet, da man akzeptiert hat, das diese Frage nicht spezifisch genug ist. Durch die Vielzahl an Typen an E-Learning Produkten würde selbst die Tatsache, dass E-Learning lernwirksamer ist als ein anderes Lehrformat wenig Hinweise darauf liefern, wie E-Learning lernwirksam gestaltet werden sollte.

2.5.1 Replacability Argument

Im Kern dieser Debatte steht das Replacability Argument. Befürworter des Replacability Arguments gehen davon aus, dass ein Medium keinen Einfluss auf Lernen hat. Gegner der Replacability Arguments gehen davon aus, dass ein Medium einen Einfluss auf Lernen hat (Befürwörter dieser Meinung haben teils hitzige Debatten). Einer der umfangreichsten Debatten zu dieser Frage wurde im Jahr 1994 zwischen Richard E. Clark und Robert Kozma geführt. Clark hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass Medien das Lernen gar nicht beeinflussen können. Er wagt eine Wette: Unter der Bedingung, dass die Didaktik konstant gehalten wird, wird man keine Effekte für oder gegen ein Medium finden. Stell dir beispielsweise vor, man testet, ob ein E-Learning Kurs effektiver ist als eine Präsenzveranstaltung. Beide Lehrformen bekommen den gleichen didaktischen Aufbau: Die gleichen Fragen, die gleiche Instruktion, die gleichen Prüfungsmethoden. Clark formuliert dieses Replacability Argument wie folgt:

[Researchers should] find evidence, in a well designed study, of any instance of a medium or media attributes that are not replaceable by a different set of media and attributes to achieve similar learning results for any given student and learning . This replaceability test is the key to my argument since if a treatment can be replaced by another treatment with similar results, the cause of the results is in some shared (and uncontrolled) properties of both treatments [Medien]" (Clark, 1994, S. 22)

Die Forschungsergebnisse, welche du gleich sehen wirst, unterstützen dieses Argument. Sobald die Didaktik zwischen E-Learning Produkten und herkömmlicher Präsenzlehre gleich gehalten wird, zum Beispiel indem beide Lehrformate direkte Instruktion mit den gleichen Aufgaben verwendeten, findet sich kein Unterschied mehr zwischen den Lehrformaten im Hinblick auf Lernen. Genau dies würde man erwarten, wenn man davon ausgeht, dass das Medium nur ein Vehikel zur Vermittlung von Wissen ist. Ebenso sind auch die Effekte Intelligenter Tutoring Systeme zu verstehen. Diese zeigen zwar konsistent bessere Ergebnisse als Präsenzlehrformate, allerdings sind die instruktionalen Methoden, welche eingesetzt werden, ebenso in Präsenzlehrformaten einsetzbar. Daher können diese Studien das Argument von Clark ebenso wenig entkräften.

2.5.2 Bisherige Metastudien zur Effektivität von E-Learning

Bisher wurden eine Reihe an Metaanalysen zu dieser Frage durchgeführt. Tamin et al. (2011) untersuchten in ihrer Meta-Meta-Analyse, ob die Verwendung von E-Learning Produkten im Unterricht effektiver ist als herkömmlicher Unterricht ohne E-Learning Produkte. Insgesamt 25 Meta-Analyse wurden in der Studie aufgenommen, welche sich aus 1055 Studien zusammen setzten. Sie fanden einen signifikanten Effekt von 0.35 (kleiner bis mittlerer Effekt) zu Gunsten von E-Learning Produkten. Allerdings stellten Tamin und Kollegen auch fest, dass die Effekte sehr stark streuen. Es gab viele Studien die keine oder negative Effekte gefunden haben aber auch Studien, die hohe Effekte gefunden haben. Ein wichtiger Moderator war die Frage, ob die Technologien genutzt wurden, um Lernende beim Lernen zu unterstützen (z.B. in der Form von Ressourcen oder Tools) oder ob die Technologien selbst Lernumgebungen darstellten. Für die erste Verwendung waren die Effekte größer als für die zweite Verwendung.

Bernard et al. (2014) untersuchten in einer Meta-Analyse inwieweit Blended-Learning Formate effektiver für das Erlernen von Fachwissen ist als reine E-Learning Produkte ohne Präsenzlehranteil. Die Meta-Analyse umfasste 117 Studien. Sie fanden einen positiven Effekt für Blended Learning Formate (g+ = 0.33). Dieser Effekt ist ebenso klein bis mittel. Auf Grundlage des Ergebnisses sollte man daher vorsichtig sein, zu übergeneralisieren. Erneut streuen die Effekte sehr stark um den Nullpunkt:

“We might surmise from this that the effects of technology integration in higher education, whether into full face-to-face classrooms or in distributed venues in the case of the blending of CI and online instruction, is effective to a modest but significant degree.” (S. 116)

In der Studie von Ma et al. (2004) wurde untersucht, wie effektiv Intelligente Tutoring Systeme im Vergleich zu herkömmlichen lehrerzentrierten Präsenzsitzungen und herkömmlichen E-Learning Produkten sind. Die Autoren untersuchten 107 Effekte von 14321 Lernenden. Im Vergleich zu lehrerzentrierter Präsenzlehre waren Intelligente Tutoring Systeme effektiver (g = .42); ebenso waren Intelligent Tutoring Systeme effektiver als herkömmliches E-Learning (g = .57). Weiterhin konnten die Autoren zeigen, dass ITSs äquivalent zu Tutoring ist (g = -.11). ITSs sind auf dem Hintergrund dieser Ergebnisse eine Besonderheit unter den E-Learning Produkten, da sie konsistent positive Effekte zeigen. Nur wenige ITSs sind weniger effektiv als herkömmliche Lehrformate.

Sitzman et al. (2006) untersuchten die Effektivität von web-basierten E-Learning Produkten im Vergleich zu herkömmlicher Präsenzlehre. Sie fanden einen positiven Effekt der E-Learning Produkte. Studierende, die mit web-basierten E-Learning Produkten arbeiten, schnitten bei Tests zum deklarativen Wissen 6% besser ab als Studierende in herkömmlichen Präsenzveranstaltungen. Ein interessanter Befund war, dass die Effekte beider Lehrformate (E-Learning vs. Präsenzlehre) gleich waren, wenn die instruktionale Methode zwischen den beiden Lehrformaten konstant gehalten wurde.

Tallent-Runnels et al. (2006) schrieben im Vergleich zu den vorherigen Studien keine Meta-Analyse, sondern ein Review. Das bedeutet, sie fassten die bisherigen Ergebnisse zur Effektivität von E-Learning Produkten nicht anhand statistischer Methoden, sondern rhetorisch zusammen. Im Hinblick auf den Lernerfolg kamen die Autoren zu dem Schluss, das E-Learning weder effektiv noch ineffektiv ist. Wie bei Tamin et al. (2011) sind Ergebnisse sehr heterogen und lassen dadurch keine klare Schlussfolgerung zu.

“Not surprisingly, students in well-designed and well-implemented online courses learned significantly more, and more effectively, than those in online courses where teaching and learning activities were not carefully planned and where the delivery and accessibility were impeded by technology problems. This finding challenges online instructors to design their courses in accordance with sound educational theories. An even bigger challenge to education researchers is to further investigate the features of online teaching that will most benefit students” (Tallent-Runnels et al., 2006, S. 116)

Weiterhin fanden die Autoren, dass Nutzer gerne nach ihrem eigenen Tempo lernen möchten, obwohl dies eine Herausforderung an die Selbstregulation der Studierenden darstellt. Zudem stehen Lernende dem E-Learning positiv entgegen.

Means et al. (2013) untersuchen in ihrer Meta-Analyse, inwieweit Lernende in E-Learning Kursen besser lernen als in Präsenzveranstaltungen. Hierzu untersuchen sie 45 Studien mit 50 Effekten. Ihre Ergebnisse unterstützten diese Hypothese. Lernende, die E-Learning Kurse besuchten schnitten leicht besser bei lernrelevanten Tests ab als Lernende, die herkömmlichen Unterricht erhielten. Die Effekte zeigten, dass Blended Learning Formate im Vergleich zur Präsenzlehre effektiver waren (g+ = 0.35) als reine E-Learning Kurse (g+ = .20). Erneut streuten die Ergebnisse, so dass die Effekte zwar auffindbar sind, allerdings es auch genug Studien gibt, die negative Effekte zeigen. Moderationsanalyse zeigten zudem, dass Kurse, die kollaborativer waren lernwirksamer waren als nicht-kollaborative Kurse.

2.5.2.1 Die Replacability Debatte heute

Diese vorliegenden Studien erlauben ein paar Schlusse: E-Learning scheint ein wenig lernförderlicher zu sein als herkömmliche Präsenzlehre. Die Effekte von Produkten sind allerdings sehr heterogen, so dass keine generelle Empfehlung für oder gegen E-Learning als Lernform gegeben werden kann. Es gibt eine Reihe an Kursen, die lernförderlicher sind als Präsenzlehre, es gibt aber auch eine Reihe an Kursen, die weniger lernförderlicher sind. Die Heterogenität der Ergebnisse liegt den Schluss nahe, dass das Medium ein nur mäßiger Prädiktor für die Wirksamkeit von Kursen ist, sondern dass der Inhalt dieser Kurse für deren Effektivität entscheidend ist. Intelligente Tutoring Systeme sind eine Ausnahme unter den E-Learning Kursen, da sie konsistent bessere Ergebnisse liefern als herkömmliche Präsenzlehre.

Für die Replacability Debatte bedeuten diese Ergebnisse, dass Medien das Lernen nicht beeinflussen (siehe auch Clark & Mayer, 2016, S. 12). Im Schnitt ist der Effekt des Mediums E-Learning klein bis nicht existent. Die didaktische Gestaltung eines E-Learning Produktes kann allerdings einen enormen Einfluss auf die Lernwirksamkeit haben. Wir werden in diesem Kurs daher nicht darüber debattieren, ob digitale Lernprodukte gut oder schlecht sind. Vielmehr werden wir versuchen zentrale didaktische Prinzipien zu verstehen, die für lernförderliche E-Learning Produkte entscheidend sind. Wir hatten vorher gezeigt, dass E-Learning Entwickler vor allem mit der Konzeption bedarfsgerechter E-Learning Kurse beschäftigt sind. Je mehr wird daher über die wirksame Gestaltung von lernwirksamen E-Learning Produkten wissen, desto besser machen wir später unseren Job.

2.6 Zusammenfassung

Wir haben in diesem Modul einen Rundumschlag über das Thema E-Learning gemacht. Zwei Dinge sind uns dabei aufgefallen. Zum einen haben wir gesehen, dass der E-Learning Markt wächst und weiter wachsen wird. Zwar entspricht der Umsatz nicht der Automobilindustrie, dennoch steigt er stetig, genauso die Festanstellungen in der Branche. Wir haben zudem gelernt, dass das Medium Computer keinen Einfluss auf Lernprozesse hat. Hält man die didaktische Gestaltung zwischen einem E-Learning Kurs und einer Präsenzveranstaltung gleich, erzielt man in der Regel ähnliche Lernergebnisse. Für uns als Entwickler bedeutet dies, dass wir uns nicht auf der Frage des Mediums ausruhen dürfen, sondern versuchen müssen, didaktisch durchdachte E-Learning Kurse zu entwerfen. Die nächsten Kapitel werden dich genau für diese Frage vorbereiten.

2.7 Weiterführende Literatur

Clark, R. E. (1994). Media will never influence learning. Educational Technology Research and Development, 42(2), 21-29. https://doi.org/10.1007/BF02299088

Mayer, R. E. (2019). Thirty years of research on online learning. Applied Cognitive Psychology, 33(2), 152-159. https://doi.org/10.1002/acp.348

Mayer, R. E., Suomala, J., & Shaughnessy, M. F. (2000). An interview with Richard E. Mayer: about technology. Educational Psychology Review, 12(4), 477-483. https://www.jstor.org/stable/23363563

Means, B., Bakia, M., & Murphy, R. (2014). Learning online: What research tells us about whether, when and how. Routledge.

2.8 Aufgabe

2.8.1 Kurzfassung

2.8.2 Detaillierte Beschreibung

Für die erste Aufgabe in diesem Kurs setzt du dich mit dem Begriff des lernerzentrierten Designs von E-Learning Kursen auseinander. Im Skript wurde dargestellt, dass E-Learning keine besondere Form des Lernens ist, sondern nur eine Lehrform ist, welche über digitale Geräte dargeboten wird. Wir werden in diesem Kurs daher keine technologische, sondern eine pädagogische Perspektive einnehmen, indem wir versuchen, zentrale Konzepte und Theorien zu besprechen, die für die lernförderliche Gestaltung von E-Learning Kursen wichtig sind. Schlussendlich möchten wir am Ende des Seminars in der Lage sein, E-Learning Kurse auf Grundlage dieser Konzepte und Theorien zu analysieren.

Lese zunächst folgendes Interview mit Richard Mayer. Richard Mayer ist einer der führenden Forscher im Bereich des digitalen Lernens und propagiert die lernerzentrierte Perspektive in der Gestaltung von E-Learning Kursen. In dem Interview beschreibt Mayer seine Sichtweise der Rolle der Technologie für die Gestaltung von E-Learning Kursen.

Schreibe anschließend ein Essay im Umfang von 1000 Wörtern, in welchem du auf Grundlage des Interviews mit Richard Mayer beschreibst, was lernerzentriertes Design für die Gestaltung von E-Learning Kursen bedeutet. Versuche lernerzentriertes Design zu definieren und Beispiele für lernerzentriertes Design zu geben. Die Beispiele sollten konkrete Szenarien schildern, die deutlich machen, inwieweit pädagogisches Wissen für die Konzeption von E-Learning Kursen genutzt werden kann. Beispielsweise in der Konzeption instruktionaler Videos, der Erstellung von Übungsaufgaben bzw. der Verwendung digitaler Technologien. Versuche zudem zu schildern, welche Konzepte und Theorien über Lehr- und Lernprozesse, die du im Verlauf deines bisherigen Studiums erworben hast, für die lernförderliche Gestaltung von E-Learning Kursen genutzt werden können (z.B. Cognitive Load Theory, Drei-Komponenten Modell des Gedächtnisses, Erwartungs-Wert-Modelle der Motivation, …). Gebe auch für diese Konzepte und Theorien konkrete Beispiele.

Schreibe das Essay in ganzen Sätzen. Gebe die Aufgabe als Word-Datei (.docx) auf Ilias ab. Benenne das Dokument 01_NACHNAME_lernerzentriertes_design.docx. Die Deadline für die Abgabe ist am 31. Mai um 23:55 Uhr. Eine verspätete Abgabe wird als nicht abgegeben bewertet.